Wer streitet, verliert: Kein Sorgerecht für Väter ohne Wertschätzung der Mütter

KATEGORIE: Familienrecht

Wenn sich Eltern trennen, können sie zwar alle wirtschaftlichen Verflechtungen auflösen, aber schwerlich die Verbindung über das Kind. Und wenn das so häufig zu Streit (und Gerichtsverfahren) führt, dass dies das Kind beeinträchtigt, hebt das Familiengericht die gemeinsame Sorge wieder auf bzw. führt sie bei unverheirateten Eltern gar nicht erst ein. Einen Fall mit letzterer Konstellation sollte kürzlich das Oberlandesgericht Braunschweig (OLG) entscheiden, wozu es nicht kam – denn das erstinstanzliche Amtsgericht Wolfenbüttel (AG) hatte da bereits sein Machtwort gesprochen.

Die Mutter hatte das alleinige Sorgerecht durch die Geburt und der Einrichtung der gemeinsamen Sorge nicht zugestimmt. Die Beziehung der unverheirateten und getrennten Eltern war von hohem Konfliktpotential und wechselseitigen Vorwürfen und Misstrauen geprägt – die gegenseitig fehlende Wertschätzung war offensichtlich. So sprach der Vater der Mutter deren Erziehungsfähigkeit ab, warf ihr verantwortungsloses, kindeswohlschädigendes Handeln, Realitätsverlust sowie offensichtliche Bindungsstörungen vor und bezichtigte sie der Lügen und Täuschungen. Ernsthafte Ansätze, mittels Erziehungsberatung die Kompromissfähigkeit zu verbessern, kamen auch vom Vater nicht. Das dreijährige Kind wohnte bei der Mutter, der regelmäßige Kontakt zum Vater musste erst noch angebahnt werden, und schließlich hatte der Vater das Nachsehen: Sein Antrag auf gemeinsame Sorge wurde vom AG abgewiesen.

Das OLG sollte diese Entscheidung ändern, aber der Vater bekam für seine Beschwerde nicht einmal Verfahrenskostenhilfe – und zwar „mangels Erfolgsaussicht“. Die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts setzt nämlich eine tragfähige Beziehung zwischen den Eltern und ein Mindestmaß an Übereinstimmung voraus. Ein nachhaltiger und schwerer elterlicher Konflikt, das Fehlen jeder Kooperation und Kommunikation oder die Herabwürdigung des anderen Elternteils sprechen in der Regel gegen eine gemeinsame Sorge. Entgegen der Auffassung des Vaters dient die Übertragung der Mitsorge auch nicht zur Verhinderung erzieherischer Alleingänge der Mutter. Die Einrichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge ist kein Instrument zur gegenseitigen Kontrolle der Eltern, im Gegenteil: Ein fortgesetzter destruktiver Elternstreit führt für ein Kind zwangsläufig zu erheblichen Belastungen.

Hinweis: Auf die Frage, welcher Elternteil die Situation verursacht hat, kommt es meist gar nicht an, denn Familienrecht ist kein Strafrecht, und die sorgerechtlichen Entscheidungen sind nicht dazu gedacht und geeignet, Fehlverhalten zu sanktionieren. Wenn die gemeinsame Sorge aufgehoben wird, erhält zu 99 % der Elternteil die Alleinsorge, bei dem das Kind lebt. Der andere ist daher immer gut beraten, sich deeskalierend zu verhalten und die geballte Faust in der Tasche zu lassen, bevor er wegen Streit über relative Nichtigkeiten dauerhaft das Sorgerecht verliert. Wer im Gerichtsverfahren seinen Fokus auf Vorwürfe legt, wird sein Ziel nicht erreichen.

Quelle: OLG Braunschweig, Beschl. v. 21.07.2022 – 1 UF 115/21
(aus: https://www.mandanteninformation-online.de/ Ausgabe 09/2022)

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