Tritt ein Kunde vor einer Reise zurück, kann der Reiseveranstalter einen Anspruch auf Entschädigung haben. Das gilt jedoch nicht immer – und man ahnt es: Das Corona-Virus hat entschieden dazu beigetragen, die bisherige Rechtsprechung detailliert unter die Lupe zu nehmen. Denn auch der Fall, der vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) landete, kam nur durch die Covid-19-Pandemie und deren weltweite Auswirkungen zustande.
Ein Mann buchte für sich und seine Ehefrau eine mehrtägige Flugreise nach Kanada für den Sommer 2020 und zahlte den Reisepreis von 6.000 EUR. Nach den Reisebedingungen entfiel im Rücktrittsfall der Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis. Allerdings konnte in diesem Fall der Reiseveranstalter angemessene Entschädigung verlangen, die bis zum 31. Tag vor Reisebeginn 25 % des Reisepreises beträgt. Keine Entschädigung konnte verlangt werden, „wenn am Bestimmungsort oder in unmittelbarer Nähe unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände auftreten, die die Durchführung der Pauschalreise (…) erheblich beeinträchtigen“. Mitte März teilte der Mann dann mit, dass er an dem Corona-Virus leide und die Reise im Hinblick auf die Umstände in Kanada storniere. Eine angebotene Verschiebung der Reise lehnte er ab und wollte den vollen Reisepreis zurückerhalten. Das Reisebüro zahlte jedoch lediglich 90 % – und so klagte der Mann.
Die restlichen 10 % sprach ihm das OLG nun schließlich auch noch zu. Ein Reiseveranstalter kann im Fall der Reisestornierung keine Entschädigung verlangen, wenn unvermeidbare, außergewöhnliche Umstände die Reisedurchführung erheblich beeinträchtigen. Ob eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist, muss prognostisch beurteilt werden. Ausreichend ist eine erhebliche Eintrittswahrscheinlichkeit (20-25 %). Das im März 2020 unbekannte und berechenbare Pandemiegeschehen ermöglichte keine belastbaren Prognosen, so dass eine Wahrscheinlichkeit von 50 : 50 bestand.
Hinweis: Der Abschluss einer Reiserücktrittsversicherung ist insbesondere bei teureren Reisen dringend zu empfehlen. Niemand weiß, was im Vorfeld alles passieren kann – und genau dafür gibt es Versicherungen.
Quelle: OLG Frankfurt am Main, Urt. v. 30.06.2022 – 16 U 132/21
(aus: https://www.mandanteninformation-online.de/ Ausgabe 09/2022)